Aus den Kirchenbüchern von Angelhausen-Oberndorf

Zusammengetragen aus alten Kirchenbüchern von Pfarrer Samuel Heinrich Reißland (1750 – 1799), fortgeführt von Pfarrer Johann Theodor Christian Just Oberländer (1800 – 1813), zusammengestellt und zur Auswahl gebracht von Pfarrer Hans-Peter Kopitzsch im Jahr 2005.

 

1364 – 1566

Die ältesten Zeugnisse in den Kirchenbüchern gehen zurück bis in die Reformationszeit. Aus dem Jahre 1551 wird berichtet, dass damals ein Herr Christoph Zwuster „Pfarr allhier gewesen“ sei. Dieser Herr Christoph Zwuster ist vermutlich der erste „evangelische“ Pfarrer in Angelhausen und Oberndorf, schon 1533 wird sein Name genannt im Zusammenhang mit einer ersten Visitation, die die Schwarzburgische Oberherrschaft gehalten habe. Außerdem hat im gleichen Jahr der damalige Graf Günther der 37. den Christoph Zwuster als „Amtman zu Arnstadt besorgen lassen“. Seit dieser Zeit wird auch kein Unterschied zwischen der „Oberndorffer und Angelhäuser Pfarr“ gemacht. Das heißt Angelhausen wird seit dieser Zeit als Filiale von Oberndorf geführt, obwohl die Pfarrer zeitweise in Angelhausen wohnten.

 

Der Nachfolger Zwusters war Valentinus Agellus aus Stadtilm. Von ihm wird berichtet, dass er im Gotteskasten einen alten Stiftungsbrief aus dem Jahre 1364 mit interessantem Inhalt gefunden habe. Aus diesem Brief geht hervor, dass Graf Günther von der Käfernburg der Oberndorfer Kirche jährlich 30 Schillinge für ein ewiges Licht und 2 Hühner vermacht hat. Außerdem erfahren wir aus diesem Brief auch den Namen des damaligen Pfarrers.

 

Ins heutige Deutsch übertragen lautet dieser Brief von 1364 wie folgt:
„Ich, Friedrich von Angelroda, Pfarrer zu Oberndorf, bekenne öffentlich mit diesem freimütigen Brief und will es allen kund tun, die ihn sehen oder lesen..., daß der edle Herr Graf Günther, Herr zur Käfernburg, Georg sein Sohn und alle seine Erben gegeben und übereignet haben 30 Schillinge jährlichen Zinses zu einem ewigen Licht für Sankt Nikolaus zu Oberndorf, das alle Nacht brennen soll. Und dieses Licht soll ein Schüler ... des Abends anbrennen und des Morgens wieder auslöschen. ... und zwei Zinshühner ... im Jahre 1364 am Tage Mariae Himmelfahrt (15.August).“ (übertragen von R.+R Walther, Dillenburg)

 

Dieser Pfarrer Valentin Agellus hat zwar sein Amt ordentlich geführt, musste aber bald schon wieder seinen Platz in Oberndorf frei machen. Sein Lebenswandel entsprach nicht so recht den Erwartungen: Agellus „welcher biß 1566 Pfarrer allhier gewesen, kurtz vor Weynachten aber ist er wegen begangenen Ehebruchs mit seiner Magt weg gegangen und hat sein Amt also verlassen.“

 

1577 – 1596
In dieser Zeit diente die Kirche St. Johannis in Angelhausen der Gemeinde von Oberndorf zu den gottesdienstlichen Versammlungen, da die Kirche Oberndorf ganz baufällig war. Das gleiche 200 Jahre später während einer abermaligen Reparatur der Oberndorfer Kirche.

 

An St. Johannis werden Reparaturen erst ab 1598/99 überliefert. In der ältesten erhaltenen Kirchenrechnung aus dem Jahre 1598/99 findet sich die Ausgabe „3 d vor Fett zu den glocken". Im folgendem Jahr wird die kleine Glocke erwähnt, so dass die Existenz eines aus drei Glocken bestehenden Geläutes in Angelhausen sehr sicher ist.

 

Erwähnenswert ist Pfarrer Caspar Schleiffentag.

Er war Schullehrer und Organist in Greußen, später Organist in Arnstadt und kam 1588 nach Angelhausen. Seit geraumer Zeit war die Oberndorfer Kirche dermaßen baufällig, dass die Pfarrer in Angelhausen wohnten, „weil man zu dieser Zeit keine Kirche (hat) halten können zu Oberndorff, weil die Kirche gar sehr baufällig gewesen, und Er also der Kirche wo Gottesdienst geschah, näher seyn wollen.“ In einer späteren Anmerkung zu diesemText heißt es: „Denn Sie haben vermuthlich hier in oberndorff nicht wohnen können in der alten Pfarrwohnung und das jetzige grose Hauß ist erst 1606 und 1607 gebauet worden.“ Wer hätte gedacht, dass das Pfarrhaus schon 400 Jahre alt ist?

 

Doch zurück zu Pfarrer Schleiffentag, welchen wenige Jahre nach seinem Amtsantritt in Angelhausen ein tragisches Schicksal ereilte. Ein alter Einwohner aus Angelhausen, Anthon Schäfer, weiß später folgendes zu berichten: Am 26. Oktober des Jahres 1593, sei Pfarrer Schleiffentag durch den Sturz in den Brunnen umgekommen. Es „habe Herr Pastor Schleiffentag ... eben selbst sich etwas Wasser ... in dem Brunnen holen wollen, ... dieweil sein Wohnhaus ganz nahe daran gelegen. ... es müßte eben viel Eiß an dem Brunnen gewesen seyn und der Brunn selbst sehr baufällig...“ Aus der Leichenpredigt, die vom damaligen Superintendent Rhot aus Arnstadt in der Angelhäuser Kirche gehalten wurde, sowie aus einer Grabinschrift geht hervor, dass Schleiffentag in Wirklichkeit vom Brunnschwengel erschlagen wurde: „Denn man sagt, dass denselben der Schwengel an seinem Born habe dermalen getroffen, daß er noch selbigen Tag habe sterben müssen.“ Tragisch ist das Ereignis aber so oder so...

 

1596

In diesem Jahr wurde nach 19-jähriger Pause zum ersten mal wieder in Oberndorf Gottesdienst gefeiert. Oben genannter Superintendent Rhot hielt damals die Einweihungspredigt in der Kirche, „nachdem solche 19 Jahr fast wüst gelegen, daß man auch den Gottesdienst so lange allemal zu Angelhaußen verrichten müssen. ... Denn ... die wohlgeborenen und edle Herrn Günther und Herr Anton Heinrich, ... grafen zu Schw. (haben) auf unterthänigste intension des gestrengen edlen und ehrenvesten Hanß Günthers von Entzenberg ... es der gemeinde Oberndorff gnädiglich erlaubt, daß die alte Kirche des Orts ...renovirt und auffs neue zu Haltung des gottesdiensts zugerichtet werden könne; so habe man die vor 19 Jahren nach Angelhaußen gebrachten Kirchengeräte wieder in die Obernd. Kirche transferirt“ (und) die Kirche am dritten Sonntag nach Trinitatis, „d.27. Juni 1596 durch Herrn Sup. Rhoten einweyhen lassen; dass hierauf allemal ordentlich Kirche wieder gehalten worden wäre.“ Außerdem wurde festgelegt, dass „der gottesdienst wechselt, einmal zu Obd. und einmal zu Angelhaussen.“

 

Maßgeblich an der Renovierung beteiligt war der „ehrengeachtete Georg Breithaupt, Bürger zu Arnstadt und Mitnachbarn zu Oberndorff“.

Der Dreißigjährige Krieg

Im Dreißigjährigen Krieg 1618-1648 wurde Angelhausen und Oberndorf vielfach durch plündernde Kriegsvölker heimgesucht, so dass sich die Bewohner öfters genötigt fühlten, die Flucht zu ergreifen. So ist überliefert, dass 1637 alle nach Arnstadt flohen und sich dort von Himmelfahrt bis Johanni (24.06.) aufhielten.

Sebastian Vrancx: Soldaten plündern einen Bauernhof
Sebastian Vrancx: Soldaten plündern einen Bauernhof

Dass die Zeit des Dreißigjährigen Krieges unserem Ort und dem damaligen Pfarrer viel Not und Elend brachte, spiegelt sich auch in den Unterlagen der Chronik und der Kirchrechnung wieder. Neben den selbst erwirtschafteten Erträgen aus dem Pfarrpfründen waren sie abhängig von den Zinserträgen der verpachteten Länderein und den Gebühren für Amtshandlungen. Demzufolge herrscht in den Aufzeichnungen die Klage über Ihre schlechte Besoldung und die mangelhafte Zahlungsmoral der Pächter vor.

 

Des weiteren ist in dieser Zeit die Pfarrstelle auch nicht immer besetzt ge-wesen und es gab sogar damals schon Überlegungen, die beiden Gemeinden als Filialen von Arnstadt aus mit zu betreuen. So wird berichtet, dass von 1617 bis 1623 „vielleicht kein ordentlich Pfarr allhier gewesen, wegen der damaligen Kriegsunruhe. Die Besoldung nicht mag einkommen seyn, ... Daher, glaube ich, haben die Herren geistlichen von Arnstadt das amt hier einige Jahre mit verwaltet.“

 

Die wahren Gründe, warum in Oberndorf für einige Jahre kein Pfarrer war, finden wir in der Chronik wenige Absätze später: „Es war aber was anderes Schuld daran, daß sich kein ordentl. Pastor allhier aufgehalten (hat), sondern das Amt durch die Herren Stadt Prediger, ... verwalten lassen. Nemlich ... so hat man gesucht, dass hiesige pastorat mit denen Diaconats Diensten zu Arnstadt zu vereinigen, oder aus Oberndorff und Angelhaußen gleichsam ein Filial von der Kirche zu Arnstadt machen wollen. Allein da man die ungünstigen Begleiterscheinungen bemerckt(e), so ist wiederum 1625 ein ordentl. (Pfarr)Lehrer, nemlich Herr Jacob Röder bestellt worden ...“

 

Was mögen wohl diese „ungünstigen Begleiterscheinungen“ gewesen sein, weshalb man bald die Idee aufgab, Angelhausen und Oberndorf mit von Arnstadt aus zu betreuen? Nachrichten über das Kriegsjahr 1813

Nach der Schlacht bei Leipzig 1813 erlebte unser Ort furchtbare Bedrängnisse, einige Wochen fanden ständige Einquartierungen von Kosaken, Österreichern und Preußen statt und am 26.10. 1813 biwakierten hier 2400 Mann Preußen im Angelhäuser Schulgebäude.

 

Eigentlich war das Jahr 1813 ein sehr ertragreiches und fruchtbares Jahr, in welchem die Bauern viel Obst, Getreide und Heu ernten konnten. Wäre da nicht dieser schreckliche Krieg Napoleons gegen das abtrünnige Preußen und Russland gewesen. Damals war Christian Just Oberländer Pfarrer in Oberndorf. Durch dieses ertragreiche Jahr, so schreibt er: „zeigte Gott seine Vorsehung mitten in der größten Verwirrung.“ Denn angesichts „der großen Weltbe-gebenheiten war dieses Jahr eines der allermerkwürdigsten und fürchterlichsten.“ ... „Größere Heere haben sich wohl nie in der Welt gegenübergestanden, als jetzt in diesem entscheidenden Zeitpunkte. Napoleons Heer wurde auf ein kleines Terrain zusammengedrängt. Bei Leipzig geschah der eigentlich entscheidende Schlag der Verbündeten. Die Schlacht dauerte vier Tage und hatte zur Folge, daß die Franzosen ihren Rückzug über Gotha und Eisenach antreten mussten...“

Kosaken im Pfarrhaus
Jetzt berichtet Pfarrer Oberländer, was für schlimme Folgen das für unsere Gegend hatte. „Was bei uns vorgefallen ist, will ich hier aufzeichnen:
Nicht lange nach dem Leipziger Siege streiften die Kosaken hier herum, die – so gern sie auch im ganzen gesehen wurden – doch allgemeine Schrecken verbreiteten.“

 

Dienstag, 25. Oktober 1813
„Am Dienstage nach dem 19. Trinitatis kamen ohngefähr 50 Mann von fürchterlicher Physiognomie (Gesichtsausdruck), mit Pferden und Spießen vor meine Pfarrwohnung und schienen über ihre Unternehmungen sich zu beratschlagen. Nicht lange darnach warfen sie das Tor um, das ihnen nicht lange Widerstand leisten konnte – drangen dann in unseren Pfarrhof mit ihren Pferden – und verlangten Lebensmittel. Da ich ihnen die Erfüllung ihrer Wünsche freundlich zuwinkte und ihnen mehrere Kannen Brandwein, mehrere Schüsseln voll Kuchen und Obst ohne alle Widerreden auftragen ließ, und sie überhaupt liebreich bewillkommte, so behandelten sie mich auch nicht feindselig und ließen mir auch mein Eigentum.“

 

Ein Österreichischer Hauptmann im Pfarrhaus
„Diese waren kaum 8 ½ Stunden bei mir, als sie wieder von den Oesterreichern vertrieben wurden. Hier hatte ich unter mehreren einen vortrefflichen Mann, den Hauptmann Rosenkranz in meinem Hause, dem ich mit meiner besorgten Frau alle möglichen Erleichterungen zu verschaffen suchte, der aber – weil er unmittelbar vorher vier Tage unter freiem Himmel hinter Weimar zugebracht hatte – leider wenig genießen konnte.“

Die Kosaken kommen zurück
„Sein Weggang war mir umso unangenehmer, indem gleich nach demselben die Kosaken sich wider einfanden“. Zwölf Mal (!), so berichtet der Pfarrer, versuchten sie ins Pfarrhaus einzubrechen. Sie müssen wohl furchtbar unter Hunger gelitten haben. Aber durch großzügiges verschenken von Lebensmitteln ließen sie sich davon abhalten. – Nur gut, dass es in jenem Jahr eine reichliche Ernte gab! „Ehe sie aber jedesmal weggingen, haben wir oftmals Todesangst ausgestanden.“ - schreibt Pfarrer Oberländer in der Kirchenchronik.

Mittwoch, 26. Oktober 1813

"Dieser Tag ... die Mittwoche nach dem 19. Trinitatis (war) in mehrerer Hinsicht der unruhvollste und furchtbarste. Nie hat unsere Gegend eine solche Menge Menschen gesehen, als an diesem Tage.

 

Von früh 7 Uhr bis spät Nachmittags war auf dem Loh (der Straße von Dornheim und Marlishausen nach Arnstadt) nur Eine Linie großer nach Arnstadt ziehender Kriegsheere, die Nachmittags noch dichter wurden.“

 

Russische Offiziere im Pfarrhaus

„Von 3 bis 5 Uhr zog ein großer Theil der russ. Cavallerie um hiesige Pfarrwohnung und nahm ihren Weg nach Dannheim, Branchewinda, Kettmannshausen, Reinsfeld pp. – Einige trennten sich aber an dem hiesigen Pfarrthore und ritten nach Siegelbach und Dosdorf. Die letztern 300 Grenadiere blieben bei uns (in Oberndorf), von welchen ich die Offiziere nebst den Bedienten und 100 Pferde erhielt. Ich hatte es mir mit meiner Frau zum Gesetz gemacht, diesen Offizieren, welche wirklich gebildete Männer waren, alle möglichen Erleichterungen zu verschaffen, und genoß daher auch das Glück, von ihnen sehr gut behandelt zu werden.

 

„Die 100 Pferde, die von meinem Futter unterhalten wurden, standen in der Augustenburg. Ich hatte es in dieser unruhvollen Lage freilich nicht verhindern können, daß meine Scheuer daselbst aufgeschlagen, und alles, was dieselbe an Früchte, Heu, Grummet, Klee pp. enthielt in großer Unordnung herausgenommen und auch anderen Preis gegeben wurde. Ich war in der Betäubung ganz gleichgültig und glaubte nicht, daß wegen der großen Feuersgefahr den Tag darauf noch ein Haus in meinem Wohnorte oder auf dem Filiale (in Angelhausen) stehen würde.

2400 Preußen belagern Angelhausen
Pfarrer Oberländer berichtet weiterhin, dass ca. 2400 Preußen vor den Toren Arnstadts in Angelhausen biwakierten. Da es Ende Oktober schon empfindlich kalte Nächte gibt, haben unzählige Feuer den Nachthimmel erhellt und die Luft war vermutlich wegen des vielen Rauches kaum zum Atmen.

 

Er berichtet:
„Zu Angelhausen waren gegen Abend 2400 Preußen eingerückt. Da dasselbe nur aus 18 Häusern besteht, so war es leicht einzusehen, daß diese zahlreichen Gäste nur in den Gärten, bei angezündeten Feuern bivouaquirn konnten. Von meinem, so hoch liegendem Wohnorte aus, gab dieses einen furchtbaren Anblick. Es schien, als wenn ganz Angelhausen in Feuer stünde. Auch kam es manchem vor, als wenn die Stadt von 4 Seiten brennte. Und doch hat Gott bei so vielfachen, uns umschwebenden Gefahren, seine schützende Hand über uns gehalten. Der Herr sei ewig gelobet.“

 

Abschied von den russischen Gästen

„Meine Gäste – die vorhin genannten russischen Offiziere – nahmen gerührten Abschied von mir und meiner Frau; auch schrieb der brave Major etwas an die Thür des Thores, wahrscheinlich um mein Pfarrhaus vor den Anfällen der Kosaken zu schützen. Eine Stunde darauf ritt ein russischer Grenadier mehrmalen durch das ganze Dorf; wahrscheinlich hatte er den Auftrag, die Kosaken daraus zu verjagen.

 

Anm. Während dieser furchtbaren Begebenheiten hatte unsere benachbarte Stadt die Ehre, Ihre glorreiche Majestät, den großen Kaiser Alexander, unter dem Geläute aller Glocken, in ihre Mauern einziehen zu sehen. Das Hauptquartier Ihrer glorreichen Majestät, des edlen Kaiser Franz war zu Dornheim (bei Herrn Landkammerrath Schierholz).

 

Die siegreichen Heere verfolgten ihre Siege, u. waren nun nach solch großen Fortschritten, noch in diesem Jahre so glückl. über den Rhein in das Herz von Frankreich einzudringen.“